Branchenexperte Reinhard Brehmer im Interview zum Thema Smart Metering:

von Thomas Buchbauer

Aus diesem Gund hat sich Spirit Design mit dem Branchenexperten DI Reinhard Brehmer über das brandheiße Thema Smart Metering unterhalten. Er steht seit Anfang Dezember nicht nur der Wiener Stadtwerke Netzgesellschaft Wien Energie Stromnetz, sondern nun auch der Wien Energie Gasnetz als Geschäftsführer vor.

Spirit Design: Bis Ende 2019 sind die Netzbetreiber verpflichtet, bereits 95 Prozent der österreichischen Haushalte mit neuen Smart Metern auszustatten. Wie schätzen Sie deren Bedeutung ein?
DI Reinhard Brehmer: Mit den Smart Metern wird ein wichtiger Schritt in Richtung Energiewende eingeleitet, der hilft, die Effizienz und Transparenz im Energiebereich zu steigern. Sie ermöglichen jedem Konsumenten, seinen tatsächlichen Stromverbrauch zeitnah zu kontrollieren und zu steuern. Damit stellen sie für unsere Kunden eine Einstiegstechnologie, einen ersten Anstoß in Richtung Management des eigenen Haushalts und somit des eigenen CO2-Footprints dar.
Neben dem Smart Metering werden auch Smart Grids unter Einbeziehung der Kommunikationstechnologie und der Kunde selbst als Smart Citizen den Wandel in der Energieversorgung vorantreiben. Unsere neuen Messgeräte stellen eine wichtige Schnittstelle dar, denn sie sind der erste Schritt hin zu einer service-orientierten Plattform im Kontext der Smart City. Auch Telekommunikationsunternehmen und Elektronikhersteller starten vielfach Initiativen in die gleiche Richtung wie wir. Daraus ergibt sich vielleicht auch Potenzial für Kooperationen.

Worin bestehen die größten Herausforderungen in Bezug auf Smart Metering?
DI Reinhard Brehmer: Neben den technologischen Grundlagen stellt sich vor allem die Frage des Handlings der entstehenden Datenflut über eigene Fasern und gesicherte Funkfrequenzen. Bisher hatten wir 1,5 Mio. Zählwerte pro Jahr, durch Smart Meter in jedem Haushalt kommen aber 180 Mio. Datenwerte pro Tag auf uns zu. Andererseits bietet gerade diese Menge an Daten großes Potenzial und ein hohes Informationsvolumen für den Kunden, dessen Nutzen vom Konsumenten noch unterschätzt wird. Denn mittels Smart Metering ist es erstmals möglich, etwa über ein Webportal oder über externe Displays zeitnah Informationen über den Energieverbrauch zu erhalten und flexible Tarifmodelle zu nutzen.
Das Einsparungspotenzial für den einzelnen Nutzer in Bezug auf seinen eigenen Stromverbrauch ist aber relativ gering – noch dazu wenn man bedenkt, dass die Kosten für ein Abendessen zu zweit in einem Restaurant deutlich über den durchschnittlichen Stromkosten eines Monats liegen. Der Anreiz zu einer Verhaltensänderung damit noch kaum vorhanden. Entscheidend sind jetzt vor allem Kommunikation und Information: Jedem Konsumenten sollte die langfristige Bedeutung für die gesamte Gesellschaft bewusst werden. Der verantwortungsvolle Energieverbrauch als Voraussetzung für unser ökologisches Gleichgewicht soll für uns alle von einem lästigen Muss zu einer Aktivität, die im täglichen Leben Freude bereitet, verändert werden. Strategische Designunternehmen wie Spirit Design oder auch Zusammenarbeit mit unabhängigen Instituten aus Marktforschung oder Wissenschaft unterstützen uns dabei, jedem Kunden seine Einflussmöglichkeiten sowie die nötige Dringlichkeit zu vermitteln und dadurch entsprechendes Bewusstsein und Vertrauen zu schaffen. Unsere Kunden sollen verstehen, dass viele kleine Taten aufgerechnet große Wirkung erzielen.

Das Thema Energieeffizienz ist in aller Munde: Wie sieht Ihre Zukunftsvision aus?
DI Reinhard Brehmer: 80% unseres Energieverbrauchs findet in Städten statt. Hier sind übergeordnete Betrachtung und systemübergreifende Maßnahmen im Kontext der Smart City gefragt: Die Politik der Stadtplanung, die Infrastruktur, also Netzbetreiber genauso wie Energieanbieter und die Wirtschaft müssen zusammen an Systeminnovationen arbeiten. Städtebauliche Maßnahmen wie Wärmedämmung, umfassende Energieberatung, Optimierung der Energieflüsse, überregionaler Energiemix und integrierte Einspeisung erneuerbarer Energie nur als Beispiele müssen ineinander greifen.
Neue Rollen werden dadurch entstehen: Kleinen Dienstleistungsunternehmen mit einem übergreifenden Zugang werden sich hier große Chancen bieten: Beratung in Bezug auf thermische Sanierung, bessere Geräte, Wärme, Strom etc. könnten aus einer Hand kommen.
Gefragt sind aber natürlich auch neue Finanzierungsmethoden und Förderungen für Großprojekte.

Welche Projekte könnten Sie sich in diesem Zusammenhang vorstellen?
DI Reinhard Brehmer: Eine große Herausforderung liegt derzeit zum Beispiel in der Anwendung und Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen in Bezug auf Gebäude – vor allem auf bestehende. Immerhin sind 70% der 2050 zu berücksichtigenden Gebäude heute schon vorhanden. Durch Anbringung von Styropor an den Fassaden könnte der Heizbedarf um 90% reduziert werden – zumindest theoretisch, denn in der Praxis wird leider ein Teil durch Unachtsamkeit der Konsumenten wieder verschwendet. Aktuell scheitert die thermische Sanierung leider oft an den Kosten und dem langen Atem den der Smart Citizen dafür aufbringen muss. Eine Möglichkeit derartige Widerstände zu durchbrechen würde darin liegen, dass sich der Energielieferant in Form von Contracting an der Investition beteiligt. Allgemein wird das Business Modell der Energielieferanten in Richtung Angebot neuer Dienstleistungen gehen müssen.

Wie sehen Sie die Rolle der Netzbetreiber für unsere Energiezukunft?
DI Reinhard Brehmer: Ziele in Bezug auf Effizienz und erneuerbare Energie werden auf europäischer Ebene derzeit nur für die Energielieferanten vorgegeben. Aus meiner Sicht wäre eine stärkere Einbindung von uns als Verteilernetz aber im Kontext der Smart Cities essentiell. Die Energiestrategie 2020 und entsprechende Gespräche mit dem Wirtschafts- und Umweltministerium bilden eine sehr gute Plattform und den richtigen Schritt in Richtung übergeordnetes stadtpolitisches Denken. Ich selbst habe in der Arbeitsgruppe „Netze“ mitgewirkt.
Problematisch ist, dass aktuell die Verteilernetzkonzessionen in Frage gestellt werden. Sie sollen zukünftig zum Beispiel alle 10 Jahre erneuert werden. Ich halte das nicht für zielführend, da Investitionen in zukunftsfähige und nachhaltige Innovationen in diesem Fall ausbleiben würden.
Ich denke, dass die Zukunft in langfristigem Denken, überregionaler Planung, Effizienz und Optimierung der Energieflüsse liegen wird.

Spirit Design dankt Herrn DI Brehmer für das Gespräch!

(Text: Spirit Design)

Spirit Design ist ein internationales, strategisches Designunternehmen mit Hauptsitz in Wien. Das auf die Bereiche Innovation und Brand spezialisierte Team von 20 Beratern und Designern entwickelt nachhaltige Lösungen für zukünftige Herausforderungen. Spirit Design berät Kunden aus den Branchen Mobilität, Telekom/IT, Energie, Industrie und Consumer in ihrer Zukunftsfähigkeit und bietet dabei ein umfassendes Leistungsspektrum an.

www.wienenergie.at
www.spiritdesign.com
 

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