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Von Kostenobergrenzen und sturem Handeln

von Jasmin Fuerbach
von Thomas Buchbauer Foto: © Pixabay

Wenn sich Politiker auf den ersten Blick Annehmlichkeiten selbst verordnen und die dafür vorgesehenen Rahmenbedingungen und Budgets noch dazu in eigene Gesetze gießen, ist der gelernte Österreicher zuerst einmal dazu angehalten, eine gesunde Portion Skepsis an den Tag zu legen. Aber nicht immer ist der innere Widerstand auch tatsächlich angebracht, wie ich dieser Tage im Zuge eines Lokalaugenscheins selbst erfahren habe.

Thomas Buchbauer

Chefredakteur, i-Magazin

Das Parlament an der Wiener Ringstraße ist nicht nur ein bauliches Juwel und gleichzeitig ein Touristenmagnet, sondern auch der Dreh- und Angelpunkt unserer Demokratie. In den kommenden Wochen wird das sanierte Gebäude nun wieder seinen Bestimmungen übergeben. Nach einer dreijährigen Planungs- und einer darauffolgenden fünfjährigen Bauphase wird das Gebäude in Kürze nicht nur wie gewohnt zum Arbeitsplatz der gewählten Politiker Österreichs, ihrer Mitarbeiter und dem Personal des Hauses werden, sondern darüber hinaus künftig genügend Fläche, Raum und Möglichkeit bieten, um unsere demokratischen Werte der Bevölkerung – im speziellen auch den Schülern unseres Landes – zu vermitteln.

Dass unter den bautechnischen Gegebenheiten, die vor dem Umbau vorherrschten, weder an ein Arbeiten noch an einen Aufenthalt im Gebäude gedacht werden konnte, ohne einer massiven Gefahr ausgesetzt zu sein, belegten mehrere Gutachten. Eines davon unterstrich vor allem die Dringlichkeit einer Sanierung der Elektroanlagen, des Brandschutzes aber auch des Blitzschutzes (Quelle). Elektroleitungen/-verteiler und Verkabelungen entsprachen längst nicht mehr den gültigen gesetzlichen Vorschriften und der Blitzschutz fehlte an manchen Stellen völlig. Darüber hinaus gab es keine ausreichenden Beleuchtungsstärken in den Gängen und die Sicherheitsbeleuchtung war unvollständig. Mit anderen Worten: Die elektrotechnische Anlage war nicht nur in die Jahre gekommen, sie war schlicht in einem katastrophalen Zustand. Aber auch die Liste an Mängeln über die elektrotechnische Anlage hinaus war schier endlos. Sogar ein Neubau auf der grünen Wiese und eine anderwärtige Nutzung des Gebäudes vom Architekten und Baumeister Theophil Hansen wurde kurzzeitig in Betracht gezogen. Man entschied sich dann aber doch für eine nachhaltige Sanierung und für die Herstellung von Stand der Technik. Zwar konnten die anfangs angepeilten und im Gesetz festgelegten 352,2 Millionen Euro Kosten als Budget für den Umbau nicht eingehalten werden, dafür rechnete man schließlich mit der im ursprünglichen Gutachten festgehaltenen Kostenobergrenze (Toleranz) von +20 % ab. Während manche unter uns es bereits erlebt haben, für höhere Kosten geringere Leistungen zu bekommen, war es im Falle des Parlaments anders: Hand in Hand mit den auflaufenden Mehrkosten mussten die Projektverantwortlichen Mehrleistungen erbringen, die auch tatsächlich zur Abwicklung kamen. Aber warum ich in meinem Vorwort so detailliert auf das Projekt an der Wiener Ringstraße und dessen Kosten eingehe, ist, dass ich aus erster Hand erfuhr und mit eigenen Augen sehen durfte, welcher Aufwand –– nicht zuletzt auch aufgrund der Forderungen des Bundesdenkmalamtes – beim Umbau betrieben wurde. In Anbetracht der hochqualifizierten und detailgenauen Facharbeit aller handelnden Unternehmen und der archetektonischen Ergebnisse grenzt es für mich an ein Wunder, dass man mit den veranschlagten Mitteln tatsächlich ein Auskommen fand. Meine höchste Anerkennung gilt allen Beteiligten an diesem Projekt, die bewiesen haben, dass qualitativ hochwertige Arbeit nicht unbedingt bedeutet, Kostengrenzen sprengen zu müssen. Und noch ein Tipp zum Abschluss: Besuchen Sie das Parlament, wenn es seinen Betrieb wieder aufgenommen hat – es lohnt sich!

Dass wirtschaftlich unter Druck Geratene dazu neigen können, nach allen erdenklichen Seiten zu strampeln, ist keine Neuigkeit. Ein derartiges Phänomen lässt sich gerade am Arbeitsmarkt erkennen. Während Handwerksunternehmen, deren Auftragsbücher zwar voll sind, die aber auf Grund des Materialmangels weder Projekte annehmen noch laufende abschließen und damit abrechnen können, trotz Facharbeitermangels Mitarbeiter auf die Straße setzen müssen, geraten Industrie- und Handelsbetriebe mit zunehmender Häfigkeit in die Situation, sich von Mitarbeitern unter Druck setzen lassen zu müssen. »Die zweite Reihe« – so unsere Informationen – neigt immer häufiger dazu, ihre Arbeitgeber vor vollendete Tatsachen zu stellen: „Entweder eine Gehaltserhöhung, oder ich wechsle den Arbeitgeber!“, heißt es dann oft im vollen Bewusstsein, dass ihnen der Mangel an Experten am Arbeitsmarkt in die Karten spielt. Nun ist es nachvollziehbar, dass Menschen, die ihre Familien versorgen, der Teuerung Herr werden müssen. Allerdings können Unternehmen, die von den Mehrkosten genauso betroffen sind wie jeder Bürger dieses Landes, die Zusatzkosten für Gehaltserhöhungen während des Jahres nur selten tragen, ohne dabei in die Gefahr zu geraten, in die roten Zahlen abzurutschen. Deswegen plädiere ich an alle Beteiligten zu bedenken, dass jedes Unternehmen, das in die Verlustzone gerät, für Arbeitnehmer dauerhaft nur selten ein guter Arbeitgeber sein kann. Wie immer im Leben und in Partnerschaften geht es um eine ausgewogene Balance beim Geben und Nehmen – denn wenn der Bogen einmal überspannt wird, kommt es sehr oft zu einem nachhaltigen Vertrauensverlust beim Gegenüber und damit auch zu einer Spaltung der Beziehung, die nur selten wieder ins Lot kommt. Ich möchte mit meinem Appell dazu aufrufen, besonnen zu reagieren und zu berücksichtigen, dass es auf lange Sicht noch niemanden geholfen hat, andere gegen die Wand zu drängen. Auch, oder besonders weil wir aktuell in eine Situation schlittern, die für uns alle besonders herausfordernd wird.

Ich wünsche Ihnen allen das Beste und ersuche Sie, bei den kommenden Gesprächen und Verhandlungen daran zu denken, dass ein Handeln auf der Basis des Spruches »Jeder ist sich selbst der Nächste« noch nie zum Wohle der Allgemeinheit – und damit auch nicht zu Ihrem eigenen Wohl – beigetragen hat!

Weitere Informationen auf www.i-magazin.at 

 

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